Blogserie «New Work» - Teil 1: Kybernetik

Blogserie «New Work» - Teil 1: Kybernetik

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Entdecke die verborgenen Dynamiken in deinem Unternehmen und nutze sie als Schlüssel zur Selbstorganisation.

Hast du auch schon gehört, dass...

...es Unternehmen gibt, in denen man endlose Meetings abhält, ohne jemals greifbare Ergebnisse zu erzielen? Oder wo im Arbeitsalltag ständig unklare Verantwortlichkeiten auftauchen, was zu Verwirrung und Doppelarbeit führt? Vielleicht hat man auch das Gefühl, dass das Unternehmen in Sachen Kundenorientierung und Agilität hinterherhinkt, wodurch nicht schnell genug auf Marktveränderungen reagiert werden kann. Wie sieht es eigentlich mit der Nachfolgeplanung und den offenen Stellen aus? Und was ist mit den internen Machtkämpfen um Ressourcen? Sind Schlüsselpositionen überlastet, während andere auf Anweisungen warten und dabei ihr Potenzial zur Eigeninitiative ungenutzt lassen?

Hast du noch nie von solchen Schwierigkeiten in deinem Unternehmen gehört? Glückwunsch! Du scheinst den heiligen Gral der Unternehmensführung entdeckt zu haben – bitte, teile dein Erfolgsgeheimnis mit uns!

Aber mal ehrlich, die meisten von uns kennen diese Herausforderungen im Unternehmensumfeld nur zu gut. Doch zum Glück gibt es eine Vielzahl neuer Management-Methoden, die uns tatkräftig zur Seite stehen und sich als wertvolle Werkzeuge erweisen können.

Will-Haben-Effekt und seine Schattenseiten

Manche erschöpfte Führungskraft wittert nun bei all den Versprechungen von Selbstführung, Ganzheit und evolutionärem Sinn – beispielsweise bei Laloux1 – Morgenluft und hofft, das Allheilmittel gefunden zu haben. Mit fast greifbarer Euphorie hallt das „Will haben“ durch die Führungsetagen, während verstaubte Strukturen wie von Zauberhand mit einem magischen Hauch Agilität aufgefrischt werden sollen. Was gestern noch eine träge Organisation war, soll sich über Nacht in ein dynamisches Netzwerk verwandeln, scheinbar bereit, den Turbulenzen einer unberechenbaren Welt standzuhalten. Doch Vorsicht: „Die Geister, die ich rief...“. Zauber können, wenn unvollständig, lange Schatten werfen und schneller verblassen, als du „ROI“ sagen kannst.

Moderne Management-Methoden bieten uns zweifellos zahlreiche Vorteile. Doch wie nutzen wir die Vorteile und entkommen den Schatten? Hier braucht es zuerst eine gute Portion Pragmatismus:

 

  1. Aktiviere deinen Phrasendresch-Radar: Auch vermeintliche Allheilmittel mit all ihren Versprechungen haben Nebenwirkungen. Überlege, was wirklich funktioniert und was nur heisse Luft ist.

  2. Nutze deine Ressourcen klug: Bevor du alles auf das neue Pferd setzt, prüfe, ob es wirklich schneller läuft oder nur lauter wiehert.

  3. Halte dein Team bei Laune: Deine Mitarbeitenden sind keine Laborratten oder Versuchskaninchen. Beziehe sie ein und sorge dafür, dass sie den Wandel mittragen und nicht vor lauter Frust das Handtuch werfen.

  4. Denke langfristig: Trends kommen und gehen, aber solide Strategien bleiben. Investiere in Ansätze, die nachhaltig sind und echten Mehrwert bieten.

  5. Lies ältere Management-Bücher: Lies nicht nur die aktuell populären Management-Bücher, sondern auch Klassiker. Viel Relevantes über Organisation wurde im letzten Jahrhundert bereits gedacht.

Genau hier kommen die bewährten Klassiker ins Spiel: Die „Kybernetik“ und die „neuere soziologische Systemtheorie“ liefern dir wertvolle Ansätze, um dein Unternehmen durch ein tiefgreifendes Verständnis sozialer Dynamiken nicht nur widerstandsfähiger, sondern auch anpassungsfähiger zu machen. Starten wir mit einem Blick in die Welt der Kybernetik.

Kybernetik

Die Kybernetik, von Norbert Wiener in den 1940er Jahren begründet, untersucht, wie Systeme in Technologie, Biologie und Gesellschaft gesteuert und reguliert werden. Sie erforscht, wie Systeme Informationen verarbeiten, auf Rückmeldungen reagieren und sich selbst organisieren. 1956 formulierte William Ross Ashby das „Law of Requisite Variety“2, welches besagt, dass ein System nur erfolgreich auf eine komplexe Umwelt reagieren kann, wenn es selbst komplex genug ist. Dieses Prinzip der Selbstorganisation vertiefte Heinz von Foerster, indem er Systeme als Netzwerke zirkulärer Prozesse und interagierender Elemente beschrieb, wobei Rückkopplungsschleifen eine zentrale Rolle spielen.

Durch die Kybernetik haben wir somit gelernt, komplexe Systeme tiefgreifender zu verstehen. Beispielsweise lässt sich durch kybernetische Prinzipien der harmonische Tanz von Vogelschwärmen (Amazing starlings murmuration) erklären, bei dem jedes Individuum auf Basis einfacher Regeln reagiert und sich an die Positionen und Bewegungen seiner Nachbarn anpasst. Die Einsichten der Kybernetik bieten wertvolle Werkzeuge, um die vielschichtige Dynamik verschiedener Systeme zu entschlüsseln und gezielt zu beeinflussen, von der präzisen Funktionsweise technischer Geräte bis hin zur effizienten Gestaltung und Anpassung von Organisationsstrukturen.

Organisationen als lebendige, komplexe Systeme

Deine Organisation ist somit kein starres Gebilde, sondern ein lebendiges, komplexes System, das sich ständig verändert und anpasst. Wichtig in dieser Sichtweise ist das Verständnis von Ursache und Wirkung – wie alle Teile der Organisation sich gegenseitig und das Ganze beeinflussen. Mensch und Organisation sind eng miteinander verbunden und wirken ständig aufeinander ein.

Im Alltag denken wir meistens in einfachen Mustern. Besonders bei komplexen Systemen neigen wir dazu, Ursache und Wirkung als eine gerade Linie zu sehen: A führt zu B, ohne dass B auf A zurückwirkt. In Wirklichkeit beeinflussen sich Ursache und Wirkung aber gegenseitig. Obwohl dieses Wissen seit beinahe 70 Jahren bekannt ist, halten wir oft an einer vereinfachten, linearen Denkweise fest, die der komplexen Realität unserer Welt kaum gerecht wird. Dann lass uns das ändern – beginnen wir entspannt bei einem Glas Wasser, welches uns Senge3 offeriert:

Lineare Kausalität: Dein tägliches „Wenn-Dann“

Wie eben angesprochen folgt unser Alltagsdenken oft einem simplen Muster: Ursache A führt zu Wirkung B aber nicht umgekehrt. Ein Beispiel: Du füllst ein Glas mit Wasser. Aus linearer Sicht drehst du einfach den Wasserhahn auf (Ursache) und das Glas füllt sich (Wirkung). Doch was passiert hier wirklich?

Zirkuläre Kausalität: Kreise statt Linien

Hinter scheinbar einfachen Abläufen verbergen sich oft komplexe Prozesse. Beim Befüllen eines Glases steuerst du ein fein abgestimmtes System: Du beobachtest den Wasserstand, passt den Fluss an und stoppst, wenn das Glas voll ist. Dieser Prozess besteht aus mehreren verknüpften Elementen, die durch kontinuierliches Feedback den Wasserstand präzise regulieren.

Um die Komplexität vernetzter und zirkulärer Prozesse in Systemen besser zu verstehen, werden Kausalschleifendiagramme (Causal-Loop-Diagramme, CLD) eingesetzt. Diese Diagramme visualisieren Ursache-Wirkungs-Beziehungen und Rückkopplungsschleifen zwischen Variablen, wodurch Zusammenhänge sichtbar werden, die in linearer Darstellung oft verborgen bleiben. Sie zeigen die Richtung von Einflüssen und Wirkungen durch die Verknüpfung von Knoten (Variablen) und Pfeilen (kausalen Verbindungen) und machen so die Dynamik des Systems klarer und leichter nachvollziehbar. Möchtest du mehr über CLDs erfahren? Die Literatur am Ende dieses Blogs bietet dir den idealen Einstieg, um tiefer in diese Thematik einzutauchen.

Mit den Rückkopplungsschleifen im Gepäck zurück in die Organisation

Übertragen auf Organisationen zeigt sich, dass alle Elemente eng miteinander verbunden sind. Jede Handlung führt zu Reaktionen, die neue Ursachen schaffen und dadurch komplexe, kreisförmige Zusammenhänge entstehen lassen. Um diese Verbindungen zu verstehen, ist es wichtig, über einfache Erklärungen hinauszuschauen. Senge4 spricht hier von zwei wichtigen Arten von Rückkopplung: der verstärkenden und der ausgleichenden bzw. stabilisierenden Rückkopplung.

Verstärkende (positive) Rückkopplungsschleifen

Sie treiben die Ausgangsgrössen eines Systems kontinuierlich in die Höhe, indem sie jede Veränderung weiter verstärken – ein klassisches „je mehr, desto mehr“-Prinzip. Hier steht „positiv (+)“ für verstärkend, nicht für gut oder vorteilhaft. Dieser dynamische Prozess kann zu schnellem, mitunter unkontrollierbarem Wachstum führen, das exponentiell zunimmt und Effekte eskalieren lässt. Die Auswirkungen dieser Rückkopplung sind komplex und können sowohl vorteilhafte als auch nachteilige Folgen haben.

Beispiel vorteilhafter Auswirkungen

Ein Unternehmen führt ein erfolgreiches Produkt ein, das sofort zu höheren Einnahmen führt. Mit diesen zusätzlichen Mitteln investiert das Unternehmen gezielt in Marketing und Vertrieb, was die Verkaufszahlen weiter in die Höhe treibt und den Erfolg des Produkts noch weiter verstärkt.

Beispiel nachteiliger Auswirkungen

In einer Organisation führt eine hohe Arbeitsbelastung direkt zu Überstunden und erhöhtem Stress bei den Mitarbeitern. Dies senkt die Produktivität und Motivation, wodurch neue Engpässe entstehen und die Arbeitsbelastung weiter steigt. Der Stress verstärkt sich, und die Situation eskaliert zunehmend.

Ausgleichende, stabilisierende (negative) Rückkopplungsschleifen

Sie wirken regulierend und bringen das System zurück in einen Gleichgewichtszustand. Sie dämpfen Veränderungen und verhindern, dass das System sich zu weit in eine bestimmte Richtung entwickelt – ein „je mehr, desto weniger“-Prinzip. Dabei steht „negativ (-)“ nicht für schlecht, sondern für dämpfend oder ausgleichend. Diese Rückkopplungen fördern Stabilität und Kontrolle innerhalb des Systems, können aber auch zu Stillstand und Unbeweglichkeit führen. In Veränderungsprozessen stellen sie oft eine grosse Herausforderung dar, da sie im Verborgenen wirken und einen subtilen Widerstand erzeugen können, der erst nach und nach sichtbar wird, wenn Fortschritte ausbleiben – dazu aber gleich mehr.

Beispiel vorteilhafter Auswirkungen

Ein Unternehmen führt regelmässige Retrospektiven ein, um Arbeitsprozesse zu optimieren. Nachdem das Team wiederholt verfehlte Deadlines identifiziert, beschliesst es, realistischere Zeitpläne und eine engere Kommunikation umzusetzen. Diese Anpassungen führen dazu, dass Deadlines nun zuverlässig eingehalten werden und das Arbeitsklima sich entspannt. Die Retrospektiven wirken dabei als stabilisierende Rückkopplungsschleife, die das Unternehmen kontinuierlich in ein produktives Gleichgewicht bringt.

Beispiel nachteiliger Auswirkungen

Ein Unternehmen implementiert eine neue, selbstorganisierte Struktur, die sowohl Unsicherheiten als auch Spannungen nach sich zieht. Auf diese Veränderungen reagiert das bestehende System mit Abwehrmechanismen, um seine bisherige Stabilität zu erhalten. Die Mitarbeitenden zeigen beispielsweise zwar eine oberflächliche Akzeptanz der neuen Methoden, greifen in der Praxis jedoch aufgrund von Unklarheiten und Unsicherheiten weiterhin auf bewährte, vertraute Prozesse zurück oder verbinden alte und neue Verfahren miteinander. Es sind also die systemeigenen Mechanismen, insbesondere die ausgleichenden und stabilisierenden Rückkopplungsschleifen, die das bestehende System schützen und tiefgreifende Veränderungen verhindern. Um nachhaltige Lösungen zu erreichen, bedarf es eines tiefgreifenden systemischen Denkens, das eine neue ganzheitliche Perspektive eröffnet. Deshalb wäre es unangemessen, im Beispiel oben einzelne Personen oder äussere Umstände für die Probleme verantwortlich zu machen.

Verzögerungen

Viele Rückkopplungen enthalten „Verzögerungen“, also Unterbrechungen im Fluss, wodurch die Auswirkungen des Handelns erst allmählich sichtbar werden. Diese Verzögerungen können die Systemdynamik erheblich beeinflussen.

Verzögerungen in verstärkenden Rückkopplungen

Ein Unternehmen startet eine Marketingkampagne, bemerkt jedoch erst mit Verzögerung deren vollen Erfolg. Diese späte Erkenntnis führt dazu, dass die Planung und Umsetzung weiterer Kampagnen ins Stocken gerät, wodurch das Unternehmen wichtige Chancen verpasst und das Potenzial der erfolgreichen Kampagne nicht vollständig ausschöpfen kann.

Verzögerungen in ausgleichenden, stabilisierenden Rückkopplungen

Ein Unternehmen setzt eine Veränderungsinitiative um, bemerkt aber erst spät deren Wirkung. Da die ersten Ergebnisse ausbleiben, ergreift das Management zusätzliche Massnahmen, die den Widerstand verstärken und den Veränderungen sogar entgegenwirken.

Takeaways - Was wir als inova gelernt haben

Die Kybernetik hat uns neue Wege gezeigt, komplexe Systeme und ihre Dynamiken zu verstehen. Dies sind die zentralen „Learnings“, die wir dabei gewonnen haben – lass dich inspirieren:

  • Integration moderner Managementkonzepte: Wir setzen auf eine solide Grundlage aus Systemwissenschaften, um moderne Managementansätze effektiv zu implementieren.
     
  • Systemisches Denken anwenden: Durch systemisches Denken und den Einsatz von Causal-Loop-Diagramm (CLD) verstehen wir die komplexen Wechselwirkungen innerhalb der inova und ihrer Umwelt besser. So können wir fundiertere Entscheidungen treffen und die Entwicklung passender, selbstorganisierter Strukturen gezielt fördern.
     
  • Selbstorganisation als fortlaufenden Prozess betrachten: Selbstorganisation betrachten wir als fortlaufenden Prozess, der ein Gleichgewicht zwischen Veränderung und Stabilität erfordert. Verstärkende Schleifen nutzen wir, um Wachstum zu fördern, während stabilisierende Schleifen die Balance bewahren. Verzögerungen verstehen wir als natürlichen Teil dieses Anpassungsprozesses.
     
  • Erfolg durch kontinuierliches Feedback: Der Erfolg unserer Transformation hängt entscheidend von der aktiven Beteiligung aller Mitarbeitenden und deren kontinuierlichem Feedback ab.

Auf ins nächste Abenteuer!

Mit diesem Wissen über die Kybernetik im Gepäck bist du jetzt bestens gerüstet für die nächste spannende Etappe unserer Reise. Vor dir liegt die „soziologische Systemtheorie“ – ein faszinierendes Terrain voller überraschender Erkenntnisse und tiefgreifender Einsichten. Bereit, das Unbekannte zu erkunden und neue Perspektiven zu entdecken?

Perfekt, los gehts – im nächsten Teil unseres Blogs!

Kontakt

Hast du Fragen, Anregungen oder möchtest du deine Erfahrungen teilen? Unser Team ist nur eine E-Mail oder LinkedIn-Kommentar entfernt und freut sich auf einen lebhaften und inspirierenden Austausch. Schreib uns jederzeit– wir sind gespannt, von dir zu hören!

Quellenangabe

  • Laloux, 2015, S. 53: Laloux, F. (2015). Reinventing Organizations. Vahlen.
  • Ashby W. R., 1956, S 207. An introduction to cybernetics. Chapman & Hall, London, 1956. Internet (1999).
  • Senge, 2017, S. 95ff. Die fünfte Disziplin: Kunst und Praxis der lernenden Organisation (M. Klostermann & H. Freundl, Übers.; 11., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage 2011, Sonderausgabe, unveränderter Nachdruck). Schäffer-Poeschel Verlag.
  • Senge, 2017, S. 99. Die fünfte Disziplin: Kunst und Praxis der lernenden Organisation (M. Klostermann & H. Freundl, Übers.; 11., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage 2011, Sonderausgabe, unveränderter Nachdruck). Schäffer-Poeschel Verlag.

Bildnachweis

  • Bilder, die nicht speziell gekennzeichnet sind, wurden mit DALL-E von OpenAI erstellt.

Zusätzliche Literaturempfehlung (Systemdenken und Causal-Loop-Diagramme)

  • Gomez, P., Lambertz, M., & Meynhardt, T. (2019). Verantwortungsvoll führen in einer komplexen Welt: Denkmuster - Werkzeuge - Praxisbeispiele (1. Auflage). Haupt Verlag.
  • Sterman, J. D. (2000). Business dynamics: Systems thinking and modeling for a complex world (International student edition). Irwin, McGraw-Hill.

Zusätzliche Literaturempfehlung (Komplexitätsmanagement)

  • Rüegg-Stürm, J., & Grand, S. (2020). Das St. Galler Management-Modell: Management in einer komplexen Welt (2., überarbeitete Auflage). Haupt Verlag.
  • Stacey, R. D. (1995). Das Chaos managen. Gabler Verlag.
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